Zum 01. Januar 2022 tritt das Grundsteuer-Reformgesetz schrittweise in Kraft. Mit dem Urteil vom 10. April 2018 hat das Bundesverfassungsgericht die Bemessung der Grundsteuer in seiner ursprünglichen Form für verfassungswidrig erklärt. Sehr lange schon stand die Bemessungsgrundlage in der Kritik, weil die Datengrundlage für die Erhebung völlig veraltet wäre und zu Ungleichbehandlungen führe.

Fristgerecht hat der Bund daraufhin im November 2019 ein neues Gesetz geschaffen, das den Titel trägt: Grundsteuer-Reform-Gesetz (GrStRefG). Dieses Gesetz führt neue Regeln zur Bewertung von Grundstücken ein. Am 25. Juni 2021 beschloss der Bund das Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz, das einen Übergangszeitraum bis Ende 2024 vorsieht. Doch zum 01. Januar 2022 beginnt die erste Hauptfeststellung der neuen Grundstückswerte. Die Eigentümer von Grundstücken sind aufgefordert, bis zum 30. Juni 2022 eine Erklärung zur Feststellung der Grundstückswerte abzugeben. Bei einer Neubewertung von ca. 36 Millionen Grundstücken hierzulande wird jetzt schon eifrig über eine mögliche Fristverlängerung diskutiert.

Die Länderöffnungsklausel

Wie auch in der jetzigen Coronazeit zu beobachten ist, sind sich die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen sehr uneinig, wie sie in der Pandemie vorgehen wollen. Ähnlich verhielt es sich auch mit dem Grundsteuer-Reform-Gesetz. Nach zähen und langwierigen Verhandlungen bekamen die Länderchefs und Länderchefinnen ihre Länderöffnungsklausel in Art. 72 Abs. 3 S. 1 Grundgesetz. Damit wurden den Bundesländern abweichende Regelungskompetenzen eingeräumt, die sie auch nutzen. Durch diese Öffnungsklausel mit sehr unterschiedlichem Regelwerk wird Deutschland zu einem wahren Flickenteppich.

Wer macht mit?

Nur 9 der 16 Bundesländer bekannten sich zum Bundesmodell. Berlin-Brandenburg Bremen Mecklenburg-Vorpommern Rheinland-Pfalz Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen Nordrhein-Westfalen

Wie sieht die Neuregelung zur Bewertung von Grundstücken aus

Die Grundsteuer wird auch zukünftig in drei Schritten berechnet:
Grundbesitzwert x Steuermesszahl x Hebesatz

Der Grundbesitzwert wird in Abhängigkeit zur Grundstücksart ermittelt. Bei bebauten Grundstücken soll das Ertragswertverfahren angewendet werden. Berücksichtigt werden dabei das Alter des Gebäudes, der Bodenrichtwert, die Grundstücksfläche, die Immobilienart und die Nettokaltmiete.

Bei nicht bebauten Grundstücken wird zur Berechnung der Grundsteuer das vereinfachte Sachwertverfahren angewendet. Multipliziert wird der Grundbesitzwert anschließend mit der Steuermesszahl, die im Zuge der Reformierung des Gesetzes auf 0,031 % gesenkt wurde. Multipliziert dazu wird der Hebesatz, der von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich ausfällt. Dieser Hebesatz kann individuell festgesetzt werden.

Schon Ende letzten Jahres haben einige Gemeinden durchblicken lassen, dass sie aufgrund der Steuerausfälle durch die Pandemie die Hebesätze erhöhen werden. Gleichzeitig besteht für den Steuerpflichtigen eine Anzeigepflicht, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Grundstück geändert haben.

Wie machen es die Länder, die sich nicht dem Bundesmodell anschließen?

  • Ab 2025 gilt für Baden-Württemberg: Bewertung des Grundbesitzes: Bodenrichtwert multipliziert mit Grundstücksfläche
  • Ab 2025 gilt in Bayern: Grundsteuer wird nach Größe des Grundstücks und des darauf befindlichen Gebäudes berechnet

Sachsen und das Saarland werden bei der Berechnung der Grundsteuer eine abweichende Steuermesszahl verwenden. Hamburg, Hessen und Niedersachsen wollen das bayrische Modell übernehmen, aber zusätzlich einen Lagefaktor einführen. Grundstücke in guter Lage werden dann zukünftig höher besteuert als Grundstücke in schlechterer Lage.

Das Ziel wurde verfehlt

Die vom Bund angestrebte Transparenz der Grundsteuerberechnung wurde durch viele Abweichler und der Länderöffnungsklausel nicht erreicht. Die Bewertung von ca. 36 Millionen Grundstücken verläuft nicht einheitlich und eine bundesweite Vergleichbarkeit ist in weite Ferne gerückt. So kann es dazu kommen, dass für das Ferienhaus in einem anderen Bundesland eine andere Steuererklärung abzugeben ist, als am Heimatort. Obwohl die Bodenrichtwerte nach § 247 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes veröffentlicht sein müssten, sind sie über BORIS (Bodenrichtwert-Informationssystem) für das Saarland, Baden-Württemberg und Hessen nicht verfügbar. Je tiefer man sich in den Gesetzestext begibt, umso unausgegorener erscheint er.

Die Grundsteuerreform, Stand 18.05.2022

Im Gegensatz zu den Einwohnern von Berlin, die als Grundstücks- oder Hausbesitzer keine Post vom Finanzamt bekommen, haben Mitte Mai alle Besitzer von Grundstücken und Wohnhäusern in Nordrhein-Westfalen eine Nachricht vom Finanzamt im Briefkasten vorgefunden. Mit dieser Nachricht möchte das Finanzamt die Eigentümer unterstützen, die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwertes zu erstellen. Wer zum 01.01.2022 Eigentümer war, ist gesetzlich zur Abgabe verpflichtet. Das Finanzamt hat für diesen Vorgang ein Aktenzeichen vergeben.

Worum geht es eigentlich bei der Grundsteuerreform?

Beispiel: Wer vor einhundert Jahren ein Grundstück in Duisburg Alt-Homberg oder in Essen-Altendorf erworben hat und auf dem Grundstück ein Haus errichtete und dieses auch immer noch besitzt, für den wird ein Bodenrichtwert von 320 € pro Quadratmeter zugrunde gelegt.
(BORIS App für NRW für Android und Apple)

Wer aber vor einhundert Jahren in Köln auf der Schildergasse ein Grundstück kaufte und es bebaute, wird für dieses Grundstück jetzt einen Bodenrichtwert von 30.000 € pro Quadratmeter finden. Die Grundsteuerreform wird dazu führen, dass Besitzer hochwertigerer Grundstücke zukünftig mehr Grundsteuer zu bezahlen haben, als Besitzer von Grundstücken in Stadtrandlagen. Was früher mal ein Vorort war, kann heute schon die City sein.

Wie erfolgt die Erklärungsabgabe?

Im Zeitraum vom 01. Juli bis zum 31. Oktober ist die Erklärung elektronisch beim Finanzamt einzureichen. Sofern man bei Elster (Software des Finanzamtes für die Steuererklärung) ein Konto besitzt. Das kann man ab dem 01. Juli die Erklärung mithilfe der Software abgeben. Wer noch kein Kontozugang zu Elster besitzt, muss für die Registrierung eine Wartezeit von bis zu zwei Wochen einkalkulieren. Wer keinen Zugang zum Internet besitzt, kann die Papiervordrucke auch bei seinem Finanzamt anfordern. Wer eine steuerliche Beratung in Anspruch nimmt (Steuerberater, Steuerberaterin) kann das Anschreiben des Finanzamtes direkt weiterleiten. Eine Fristverlängerung zur Abgabe besteht dann nicht.

Wie geht es dann weiter?

Auf Grundlage der übermittelten Daten erlässt das Finanzamt zwei Bescheide

  • Grundsteuerwertbescheid auf den 01. Januar 2022
  • Grundsteuermessbescheid auf den 01. Januar 2025

Auf Grundlage dieser Bescheide setzt die Kommune die Grundsteuer fest, die ab 01. Januar 2025 zu bezahlen ist. Viele Kommunen haben schon angekündigt, dass sie den Hebesatz erhöhen wollen, der einen sehr großen Einfluss auf die Höhe der Grundsteuer hat.

Hat das Finanzamt vorgearbeitet?

Die Antwort lautet: ja, in einigen Fällen. Wer das Glück hat, zur Information zur Grundsteuerreform noch ein weiteres Blatt vom Finanzamt bekommen zu haben, findet dort alle Angaben zum Grundstück, die dem Finanzamt bekannt sind:

  • Grundbuchblatt
  • Flur
  • Flurstück: Zähler
  • Flurstück: Nenner
  • Fläche in Quadratmeter
  • Bodenrichtwert je Quadratmeter in Euro
    (Bodenrichtwert-Nutzungsart)
    (Mehrgeschossig, Ein-/Zweigeschossig)

Neuigkeiten

Wie vielen Medien zu entnehmen, kam es am letzten Wochenende zu einer Überlastung des Servers der Finanzverwaltung. Die Software Elster konnte nicht mehr aufgerufen werden.